Nigeria - vielfältig, aber auch ein konfliktreiches Land (02.01. - 12.01.18)

 

 

Was hat man nicht alles schon im Vorfeld gehört über Nigeria: Boko Haram (im Norden), Entführungen am laufenden Band (im Süden), Korruption (ÜBERALL), laute und ruppige Menschen, Benzinmangel, schlechte Straßen, jede Menge Polizei- und Militärcheckpoints …..

Um ein Fazit vorweg zu nehmen: das Allermeiste scheint WAHR zu sein!

Einige dieser Dinge sollten wir auch persönlich erleben – Boko Haram und Entführungen gehörten zum Glück nicht dazu! ;-)

Der Fairnesshalber muss man aber auch sagen, dass unser Aufenthalt aufgrund der Unsicherheiten in diesem Land nur auf eine Transitdurchfahrt geplant war. Das reichte sicherlich allenfalls aus, um die Oberfläche anzukratzen. Für diejenigen, die die Möglichkeit haben (bzw. wahrnehmen) gibt es auch einige kulturelle und landschaftliche Highlights. Dazu zählt z.B. auch ein Besuch der vom Aussterben bedrohten Drill Affen in den Alfi Mountains.

 

Aber von Anfang an: Schon das Visa zu erhalten ist nicht ganz so einfach. Der einzige Ort in ganz Westafrika scheint die Hauptstadt von Burkina Faso mit dem schönen, nur mit etwas Übung aussprechbaren Namen „Ouagadougou“ zu sein. Die dortige nigerianische Botschaft ist nur an bestimmten Tagen geneigt potentielle Touristen für Visawünsche zu „empfangen“. Die Gebühren sind auch absolute Spitze (es tränen einem die Augen – wie viele leckere Pizzen hätte man davon essen können!) und die Freundlichkeit läßt zu wünschen übrig. Auch muß man eine Art „Vorstellungsgespräch“ mit dem Konsul über sich ergehen lassen (arrogater A....!) und Einzelreisenden ohne Fahrzeug wird wohl ohnehin kein Visa gewährt.

Wir waren wohl seriös genug und gehörten zu den Glücklichen, denen ein Visa „zugeteilt wurde“.

 

Begegnungen mit den Sicherheitskräften und seinen unzähligen Checkpoints

 

Bevor wir Nigeria allerdings erreichten, hatten wir noch die beiden Länder Togo und Benin zu bereisen. Von Benin aus kommend, wählten wir den kleinen Grenzübergang bei Illara / Meko, der nördlich der Megacity Lagos liegt. Die Ausreise aus Benin, als auch die Einreise nach Nigeria war überraschenderweise flott, ohne irgendwelche „Neujahrsgeschenkwünsche“, freundlich und auch sonst recht unkompliziert. So unscheinbar und friedlich der erste Kontakt mit Nigeria auch war, nach wenigen km erreichten wir die ersten Checkpoints mit bewaffneten Polizisten. Martialisches Auftreten, dunkle Ray Ban Sonnenbrillen und bewaffnet mit Maschinengewehren, mit mehreren Magazine mittels Klebeband am Schaft befestigt – Hollywood lässt grüßen! Dazu gehören natürlich die allerseits beliebten Nagelbrettern als Straßensperren in allen Varianten. Mal professionell aus der „Massenproduktion“, mal a la Hornbach bestehend aus einem Holzbrett und einigen semi-professional eingeschlagenen krummen, verrosteten Nägeln.

So waren alle mögliche Fraktionen bereits am ersten Tag anzutreffen: Police, Gendarmerie, Militär, das Gesundheitsamt, das Veterinäramt (!) und natürlich zu guterletzt die jeweils lokale „Dorfjugend“ mit seinen selbstgebastelten Seilsperren und Nagelbrettern. Alle wollten natürlich uns „persönlich kennenlernen“ und ein „persönliches Neujahrsgeschenk“ haben. Am ersten Tag auf der ziemlich üblen Piste in die Stadt Abeokuta (ca. 70 km von der Grenze zum Benin entfernt) hatten wir bereits 22 Checkpoints gezählt! 9 Stopps davon waren entsprechend mit offiziellen Uniformen und entsprechender Bewaffnung ausgerüstet. Dort war es ratsamer – schon aufgrund der Nagelbretter – anzuhalten und persönlich „vorzusprechen“. Alle anderen hatten wir freundlich zugewunken und die Absperrungen umfahren. Man hat erstaunlicherweise sehr schnell ein Gefühl entwickelt, wo man wirklich besser stoppt und wo besser nicht! Selbstredend wurde uns bei allen Stopps der „Codesatz“ „Welcome to Nigeria!", "Happy New Year!" zugerufen. Die ziemlich unverblümte Aufforderung, die Brieftasche zu öffnen und eine Zahlung zu leisten. So „unerfahren und doof“ im Umgang mit diesen Dingen, haben wir die Neujahrsgrüsse, etc. immer wieder gerne zurück gegeben und uns für das „herzliche Willkommen in diesem Lande“ bedankt. Das wurde unserseits jeweils solange wiederholt, bis die „Bittsteller“ entnervt aufgaben und uns weiter fahren ließen. WICHTIG: Immer freundlich bleiben (das kann auch ruhig ins Theatralische gehen!), Lächeln, Händeschütteln, etc. und die Gesprächsführung (Monologe in bayrisch oder hochdeutsch sind auch kein Problem!) an sich reißen. Was man dann an Belanglosigkeiten von sich gibt ist dann eigentlich nebensächlich.

 

Da wir dieses für uns ziemlich ungastliche und unkalkulierbare Land so schnell wie möglich durchqueren wollten, waren lange Fahrtage eingeplant, um die weit im Südosten liegende Stadt Calabar zu erreichen. Da auch hier das Verkehrsnetz nicht überall „lochfrei“ war, sollten wir 3 volle Tage für die ca. 800 km brauchen. Calabar ist für jeden „Überland nach Südafrika Reisenden“ ein notwendiger Stopp, da es hier das Visum für den Nachbarn Kamerun gibt.

 

Bis wir allerdings dort waren, hatten wir nervende weitere 88 Checkpoints zu überstehen! Später sollten auf unserem Weg zur Grenze nach Kamerun noch einige dazu kommen. Laut unserer Strichliste waren es 101 passierte Checkpoints mit 58 Stopps kommen ….. Und fast JEDER wollte natürlich GELD !!!

 

Tag 1 Etappe Grenze Benin – Shagamu (ca. 135 km): 22 Checkpoints; 9 Stopps

Tag 2 Etappe Shagamu – Asaba (ca. 360 km): 24 Checkpoints; 4 Stopps

Tag 3 Etappe Asaba – Aba – Calabar (ca. 300 km): 42 Checkpoints (!); 23 Stopps !

 

Jeder dieser Tage war auf seine Weise ziemlich fordernd. Obwohl wir als Europäer sicherlich von den „Sicherheitsleuten“ behutsamer behandelt worden sind, wurden wir (insbesondere Thomas) schon mal energischer und lautstärker angegangen. Hier sollen nur zwei Beispiele über das Verhalten der Sicherheitskräfte und deren Versuch sich „zusätzliche Einnahmequellen“ zu sichern erzählt werden.

 

Der (negative) Höhepunkt war sicherlich an einem schwer bewaffneten Militärcheckpoint in der Nähe der Stadt Aba. Die ganze Umgebung und Straße erinnerte eher an eine Zufahrtsstraße nach Bagdad, o.ä. aus den Nachrichten. 

 

Ein stark betrunkener Soldat, der sich kaum auf den Beinen halten konnte, forderte Thomas auf, das Fahrzeug zu verlassen. Mit einem Stock schlug er Löcher in die Luft und schrie etwas von „Give me money!“ Thomas ignorierte das Geschrei weitestgehend stirnrunzelnd (wir verstehen ja kein Englisch als Deutsche!!!!), half ihm sich am Grimber fest zu halten und gab vor schwer hörig zu sein!! Derart irritiert rief dieser seinen (nüchternen) Vorgesetzten, der Thomas mit einem Augenzwinkern zurück zur Fahrerhauskabine geleitete und uns eine (schnelle) Weiterfahrt wünschte.

 

Ziemlich unverfroren und plump war auch das Verhalten zweier junger Polizisten in der Stadt Naze. Kaum als Touristen identifiziert, wittern sie wohl reiche Beute. Mit einem theatralischen Sprung auf die Straßenmitte stoppte er uns und nannte Thomas grundlos einen „Bad man“ (einen schlechten Menschen). Die ganze Aktion wirkte so komisch, dass Thomas aus der Fahrerkabine sprang, die Hände der beiden Polizisten drückte und sich vorstellte mit „I am NOT Batman, I am Thomas from Germany“.

Damit war natürlich der Grundstein für eine „interessante Unterhaltung“ gelegt, wobei die beiden – eigentlich sehr symphatischen – Polizisten rasch merkten, dass das Englisch von Thomas heute „nicht das Allerbeste“ war.

Man kam natürlich nach dem obligatorischen „Happy New Year!“ und „Welcome to Nigeria!“ sehr rasch auf den Punkt! Sie sagten ziemlich unverblümt, dass sie Geld von uns haben wollten. Da Thomas ja zu weilen recht begriffsstutzig ist (Claudia wird das bekräftigen!), ging der Redeführer nach der Frage, ob „Thomas wenigstens Englisch lesen kann“, dazu über auf einen Einkaufszettel (!) die folgenden Sätze zu schreiben:

 

  • „Happy New Year“!“

  • „Welcome to Nigeria!“

  • „I WANT MONEY!“

 

Da fällt es natürlich erst einmal schwer ernst zu bleiben über so viel Drestigkeit!

Nach unserem "Einwand", dass „Zuwendungen an Polizisten AUCH IM AUSLAND (!) nach deutschen Recht strafbar sind und mit Gefängnis bestraft werden“ mussten wir das leider ablehnen! Da wir eine "Heidenangst" davor haben ins (deutsche) Gefängnis zu wandern, half auch nicht die Zusicherung der Polizisten, „das wir in Nigeria wären und es in Deutschland niemand erfahren würde“. Er gab uns sein großes Ehrenwort!

Allerdings hatten wir ohnehin noch keine nigerianischen Niara, da die nigerianischen Geldautomaten aus einem für uns „unerfindlichen Grunde“ unsere Kreditkarte nicht akzeptierten und kein Geld herausgaben. Sehr ärgerlich!!! ;-)

Die Androhung uns mit auf das Revier zu nehmen („I take you to the police station!“), wurde dann wohl auch eher rasch wieder verworfen, als wir unser „ehrliches Interesse“ bekundeten, endlich seine Kollegen kennenlernen zu dürfen, zumal wir ja viiiieeeellll Zeit haben.

Eine weitere Idee hatte dann der bis dahin eher schweigsame zweite Kollege, der uns fragte, wie alt unser Fahrzeug sei. Er schaute dann auch ganz beglückt, als Thomas ihm das historische Alter von fast 30 Jahren nannte. Mit der Behauptung, dass in Nigeria „kein Auto älter als 5 Jahre sein dürfe“ witterte er seine Chance! Unser persönlicher Eindruck über den Zustand der lokalen Fahrzeuge war eher, dass keines jünger als 10 Jahre war. Leider war er auch nicht in der Lage, nach unserer Bitte, diese Gesetzesvorlage in schriftlicher Form vorzuweisen. Zur eher allgemeinen Erheiterung sorgte dann auch eher, als ein schrottreifes Auto, eher einer alten Dampflokomotive gleichend, neben uns zeitgleich seinen Geist aufgab. Das Thema wurde ab diesem Zeitpunkt von den beiden Polizisten nicht mehr weiter verfolgt.

 

Irgendwann waren, so sympathisch die Zeitgenossen auch sein mögen, alle Argumente ergebnislos ausgetauscht. Neben Claudia, aus dem Fahrerhaus heraus in der ersten Reihe sitzend schauend, hatten sich mittlerweile einige Schaulustige versammelt, die die „Veranstaltung“ recht belustigt verfolgten. So schaute Thomas irgendwann auf die Uhr, schüttelte allen Umstehenden noch einmal mit den besten Wünschen kräftig die Hände, verabschiedete sich und wir machten uns, ohne weitere Diskussionen, schnell davon.

 

Raues Miteinander in Nigeria

 

Ganz so harmlos wie mit uns Europäern verlaufen die Begegnungen zwischen den sogenannten Sicherheitskräften und den Einheimischen nicht (immer). So wurden wir sehr oft Zeuge von teilweise sehr ruppigen körperlichen Auseinandersetzungen, die einen an ganz schlechtes Kino erinnerten.

 

Einige Beispiele, die uns noch besonders im Gedächnis geblieben sind:

 

Am frühen Morgen des dritten Tages gerieten wir in einen Militärcheckpoint, der alles aufgefahren hatte, was einen vernünftigen nigerianischen Kontrollpunkt so aus macht. Maschinengewehre, metallische Nagelbretter, Fässer mit Beton gefüllt, martialisch und grimmig dreinschauende Soldaten in Kampfanzügen und zusätzlich links und rechts auf den Seitenstreifen alte LKW Reifen auf dem Boden verteilt. Brav eingereiht in dem Rückstau wurden wir Zeuge, wie ein scheinbar ziemlich dämlicher Minibusfahrer nicht nur versuchte sich an allen Wartenden vorbei zumogeln, sondern auch durch den Checkpoint, in dem er kurzerhand mit seinem Fahrzeug über die LKW Reifenblockade fuhr!

Das fanden die Soldaten nicht so witzig und als sie den kräftig gebauten Fahrer aus dem Minibus zerrten, entwickelte sich eine wüste Schlägerei in deren Verlauf u.a. dem Fahrer mit dem Gewehrschaft des Öfteren ins Gesicht geschlagen wurde und min. ein Soldat zu Boden ging! Man konnte sagen es ging „unentschieden“ aus.

Dieser verbale Ungehorsam, der in Deutschland undenkbar wäre, ist hier scheinbar an der Tagesordnung.

 

In ein weiteres (beinahe lustiges) Vorkommnis an einem Checkpoint kurz vor der Stadt Calabar waren wir selber involviert. In dem Moment war Claudia als Fahrerin gestoppt worden und sollte rechts den Teer runter zur Seite fahren. Da dort aber ein ziemlich übles Loch war, blieben wir auf der Straße stehen. Sofort fing natürlich eine Diskussion an, wobei der Polizist nicht verstehen konnte, dass eine Frau überhaupt am Steuer eines LKW's sitzt. Bevor wir „tiefer in die Diskussion eintreten“ konnten, versuchte ein hinter uns und offenbar „unter Zeitdruck“ stehender Taxifahrer illegal quer durch die Absperrung an uns links vorbei zufahren. Dummerweise streifte er bei diesem seltsamen Kamikazemanöver den Polizisten, mit dem Claudia gerade ihre Grundsatzdiskussion führte. Sofort stürmten verschiedene Uniformierte mit Schlagstöcken, etc. auf den Taxifahrer zu und hatten uns von einem auf den anderen Moment völlig vergessen. Wir nutzen natürlich die Aufregung, um schnell weiter zu fahren.

 

Das Verkehrsregeln unterschiedlich interpretiert und Konsequenzen haben können, liegt dabei beinahe ziemlich nahe. Als wir eines Abends an einem Straßenstand in Calabar gerade am essen waren, hielten in dem dort immer herrschenden Verkehrschaos auch zwei Jeeps mit Ladefläche, auf denen einige schwer bewaffnete Polizisten sassen. Es verwunderte uns doch sehr, dass direkt vor ihren Augen ein Geisterfahrer ohne Licht ohne jede Beachtung und Konsequenzen durch den entgegengesetzt fließenden dichten Verkehr fahren durfte.

Wenige Minuten später jedoch, als sie mit ihrem Imbiss fertig waren und drei Autos weiter ein Autofahrer kurz in der zweiten Reihe hielt und damit ihr Weiterfahren verhinderte, war das Grund genug für zwei Polizisten von der Ladefläche zu springen, zu dem Auto zu spurten, die Fahrertür aufzureißen und dem Fahrer mehrere Tritte in den oberen Körperbereich zu versetzen! Der Autofahrer reagierte zu seinem Glück offenbar geistesgegenwärtig genug, um trotz der Tritte, die auf ihn einprasselten, irgendwie das Gaspedal zu drücken und mit quietschenden Reifen das Weite zu suchen.

Auch im Alltag sitzen die Fäuste scheinbar sehr locker. Innerhalb von Sekunden kann ein Gespräch in eine Schlägerei ausarten.

So wurden auch wir am frühen Morgen des zweiten Tages beim Verlassen des Hotelgeländes mit dem Grimber vor dem Eisentor körperlich bedroht. Da wollte wohl jemand Geld von uns und versuchte das lautstark und ziemlich aggressiv einzufordern. Er blockierte den Weg, in dem er sich vor den Grimber stellte und mit seinen Fäusten gegen die Motorhaube schlug! Oben im Fahrerhaus waren wir zum Glück ziemlich außer Reichweite. Er steigerte sich allerdings immer weiter in seinen Ausbruch hinein, so dass wir uns schon langsam Sorgen um irgendwelche Beschädigungen am Fahrzeug machten. Plötzlich kam ein anderer Passant heran gerannt, schubste ihn mit voller Wucht zur Seite und schlug ihn nieder. Der Mann forderte uns mit den Worten „Welcome to Nigeria“ auf schleunigst weiterzufahren. Diesen Rat befolgten wir auch unverzüglich und machten uns rasch aus dem Staube.

 

Nirgendswo bislang hatten wir solche asozialen Umgangsformen auf unserer Reise erlebt! Auf der anderen Seite muss man vermutlich auch die immense Bevölkerungsdichte (> 180 Mio. Einwohner?), Korruption im Alltag und der sogenannten politischen Elite, das politische Chaos, etc. den Nigerianern zu Gute halten. Die Städte, die wir auf den schlechten Autobahnen im Süden passierten, waren einfach nur überbevölkert, Slums links und rechts der Strassen, überall nur Schrott, Müll, etc.

Vielleicht kann unter solchen Bedingungen nichts anderes herauskommen.....

 

Christlichen Kirchen und seine Auswüchse

 

Was uns auch ganz besonders bei unserer Fahrt durch Nigeria aufgefallen war, ist die unglaubliche Anzahl verschiedener christlicher Kirchen und „Sekten“. Es gibt wohl keine Variation, die nicht seine Gemeinde gesucht und offenbar gefunden hatte. Neben der katholischen und evangelisch – lutherischen Kirche gibt es u.a. die Baptisten, Methodisten, Anhänger der Pfingstbewegung, Adventisten, apostolische Gemeinschaften, die Zeugen Jehovas, Kirchen des jüngsten Tages, Kirchen des siebenten Tages, der Wiederauferstehung, Kirchen „des wahren christlichen Glauben's“ (aber das propagierten ja ohnehin alle!!) und viele andere unzählige Freikirchen.

 

Überall im Straßenbild sieht man gigantische Plakate von selbsternannten Predigern, die sich von irgendeinem Gott berufen fühlen und Werbung in eigener Sache machen. In einer Siedlung oder Stadt kann man keine 50 m gehen, ohne an einem Hinweisschild, das gerade rechts oder links eine „Gemeinde“ ansäßig ist. Dazu braucht man nicht, wie die katholische oder evangelische Glaubensrichutung in Europa eine Kirche. Hier kann das eine normale kleine Halle, Haus oder Baracke sein. Ganz „moderne und kostenbewußte“ Prediger schenken sich das alles gleich und mieten sich für die sonntägliche Predigt in einem z.B. Hotel einen Saal.

Diese sonntäglichen Events erinnerten uns stark an die seltsamen schwarzen Fernsehprediger, die man aus dem amerikanischen Fernsehen kennt.

 

In Calabar campten wir zwei Nächte auf dem Parkplatz eines Hotels. Zufälligerweise waren wir auch noch am Sonntag morgen dort und wurde Zeuge einer solchen Veranstaltung. Da jeder Besucher an unserem Grimber vorbei musste, bekamen wir vom Prediger persönlich eine Einladung an der Veranstaltung teilzunehmen. Die Vorbereitung in dem Saal begannen schon am Abend zuvor. Es wurden u.a. auf der Bühne auch die Musikinstrumente und die Lautsprecher aufgebaut, die man wohl eher einem Musikkonzert zu geordnet hätte. Aus unserer Sicht war es eher ein soziales Event, wo viele Leute jeden Sonntag Morgen total aufgestylt hingehen a la „sehen und gesehen werden“.

So war die „Show“ auch eine Mischung aus wirklich tollen christlichen (Chor)gesängen und lauter, fast schon gebrüllter Predigt.

Sarkasmus darf sein an dieser Stelle: Es erinnerte fast wie an eine Ansprache vom Tausendjährigen Reich („Wollt ihr den totalen Krieg ?“) - Hier gibt es ein vielstimmiges ekstatisches „Hallejula“ als Antwort.

Die Leute steigerten sich während der Predigt, die hauptsichlich aus den Worten „Jesus“, „My Lord“ und immer wieder „Halleluja“ bestanden, teilweise in Trance.

So warf plötzlich während einer Gesangseinlage, die „etwas beleibte“ Nachbarin von Thomas die Hände in die Luft, Tränen flossen nur so herunter und zitterte am ganzen Körper. Dazu begann sie laufend „Halleluja“ zu rufen, um dann auf die Knie zu fallen!

Thomas war sich einen Moment nicht ganz sicher, ob es sich hier, um einen epileptischen Anfall handelte und er helfen sollte. Er unterliess es, da es offenbar ein Teil ihres „Glaubensbekenntnisses“ war.

Das dieses Event von dem Prediger nicht ganz uneigennützig war, zeigte sich schon in der Veranstaltung. Immer wieder stiegen Gläubige auf die Bühne und berichteten von ihren „Sünden“ der vergangenen Woche. So berichtete ein Mann, dass er seine Frau angeschrien hatte und wollte Buße auf der Bühne vor der Gemeinde tun. Um das zu unterstreichen, gab es ein Umschlag mit Geld für den Prediger! Vielleicht hätte es ein normales Gespräch zwischen den Eheleuten auch getan??? So kam während der ca. 3 stündigen Veranstaltung sicherlich einiges zusammen. Aber ist das in Europa nicht ähnlich?

 So berichtete uns später ein amerikanischer Expat in Calabar, dass viele Leute, die eigentlich gar kein Geld haben, sich hoch verschulden, um ihrem Prediger „etwas Gutes zu tun“. Insofern bekam auch eine Aussage, die wir dort hörten einen tieferen Sinn: „Wer in Nigeria reich werden will, muss entweder Politiker oder Prediger werden!“

 

Das Rätsel der „100.000 verlassenen Tankstellen"

 

Nigeria ist bekanntermaßen eines der größten Erdölförderländer der Welt. Ein Kuriosum besonderer Art begleitete uns während unseres gesamten Aufenthalt. Praktisch an jeder Ecke gab es Tankstellen. Manchmal auf jeder Straßenseite je 2 – 3. ABER: Die allermeisten hatten keinen Treibstoff, waren geschlossen oder schon seit vielen Jahren vom Unkraut zu gewachsen! Ohne es gezählt zu haben kann man getrost annehmen, dass 90% aller Tankstellen in irgendeiner Weise nicht mehr in Funktion sind (oder nie waren). Die Schlangen an den Wenigen, die gerade scheinbar Benzin haben, sind dafür umso länger. Teilweise mehrspurig mehrer Kilometer lang!

Des Rätsels Lösung: Nur wer in Nigeria eine Tankstelle „vorweisen“ kann, ist aufgrund der Knappheit in der Lage in den Besitz größerer Mengen Treibstoff zu kommen. Diese werden dann entweder mit Wasser, etc. gestreckt und unter der Hand weiterverkauft oder gleich in die Nachbarländer geschmuggelt.

 

Das Paradoxe ist, das das Rohöl Nigeria selbst nicht zu Gute kommt. Es wird durch z.B. Shell, u.ä. gefördert und dann auf großen Öltankern in die USA, Europa, China, etc. gebracht zur weiteren Verarbeitung und Verkauf. Im Lande selbst bleibt nichts und der eigene Bedarf muss importiert werden! Ein Phänomen, welches in vielen afrikanischen Förderländern zu beobachten ist. Unabhängig war der Dieselpreis trotzdem sehr billig für uns und wir haben uns vor der Weiterfahrt über einen privaten Händler mit qualitativ guten Treibstoff eingedeckt.

 

Der Hauptgrund für uns in die relativ relaxte Stadt Calabar zu kommen, war allerdings dem Umstand geschuldet, dass hier das Konsulat von Kamerun ansässig ist. Normalerweise hat man dieses Visa innerhalb weniger Stunden in der Hand. Dummerweise war der Konsul eine Stunde vor unserer Ankunft zu einem Meeting nach Douala / Kamerun gefahren und sollte für min. 5 Tage wegbleiben. Da wir so schnell wie möglich weiter wollten, kam bei uns diese Nachricht natürlich nicht gut an, denn leider scheint es in afrikanischen Botschaften und Konsulaten Alltag zu sein, dass jeweils immer nur eine Person den entsprechenden Stempel hat oder „bedienen“ kann.

 So bekamen wir die Möglichkeit bei der nordamerikanischen Tierschutzorganisation „www.pandrillus.org“, die sich dem Schutz, der vom Aussterben bedrohten Pandrillusaffen verschrieben haben, in Calabar kennen zulernen. Auf ihrem Gelände wird in einem großen Gehege eine große Gruppe dieser tollen Tiere gehalten und wir bekamen die Gelegenheit dort einige Tage zu campen.

Leider konnten wir in das Hauptschutzgebiet, welches tief im Dschungel in den Alfi Mountains liegt, nicht fahren, da für unsere Fahrzeuggröße vermutlich erst einmal zusätzliche Schneisen geschlagen hätte werden müssen. Von den schmalen und halb verrotteten Holzbrücken mal ganz abgesehen.

So vergingen die Wartezeit auf den Konsul in netter und interessanter Gesellschaft wie im Fluge und wir konnten dann endlich die letzten km und Checkpoints in Nigeria in Angriff nehmen.

Als wir endlich bei dem Ort Ekok die Brücke über den Grenzfluss nach Kamerun überquert hatten, waren ziemlich erleichtert.