Spätestens mit dem Passieren der großen Stadt Oujda und des Küstenatlas im Nordosten Marokko's Richtung Süden, hatten wir auch die Mittelmeerregion hinter uns gelassen.
Südlich davon „betraten“ wir nun zunächst die Gebiete der Schotts und im äußersten Südosten die Ausläufer des Sahara Atlas.
Wie auch an der Mittelmeerküste sollten wir hier nur wenige Reisende treffen. Auf einigen abgelegenen Offroad Pisten, sollten wir für die diversen Militärposten in der Einsamkeit im algerischen Grenzgebiet, die ersten Touristen „seit Menschengedenken“ sein. D.h. in den meisten Fällen mindestens einige Monate, da die Soldaten in der Regel für drei Monate in ihren teilweise selbstgebauten Unterkünften ausharren müssen, bis die Ablösung erfolgt. Dazu aber später mehr....
Ach ja......die Nähe zu Algerien erkennt man im Süden an der zunehmenden Anzahl der Militärcheckpoints - im Norden an den mit Benzin abgefüllten Flaschen, das aus Algerien herüber geschmuggelt und am Wegesrand angeboten wird. Wir wollten unseren Grimber „nicht vergiften“ und haben auf diese Angebote immer verzichtet....
Nach der Überquerung des „Col de Jerarda“, der die Passage über den Küstenatlas darstellt, bemerkt man auch, dass spätestens jetzt nicht nur die Besiedelung abnimmt, sondern auch die Vegetation und nun nahtlos den Trockengebieten weicht. Wir nahmen die Überquerung als Anlass die Hauptstraße Richtung Süden zu verlassen und nun unseren Weg abseits der großen Straßen zu suchen.
Der Abstecher führte uns zuerst westlich über das Kohlerevier bei Jerada in die große Ebene von Rekkam („Plateau du Rekkam“).
Die dünne Besiedelung und die wüstenhafte Landschaft bietet jedem Reisenden viele Möglichkeiten schöne einsame Stellplätze für die Nacht zu finden. Unsere erste „Wüstennacht“ verbrachten wir an einem kleinen Fluss in der relativen Nähe der Ortschaft Guefait. Eine Landschaft wie gemalt. Keine Behausung und Menschenseele weit und breit, bis auf einige wenige kleinen Sträucher alles karg, kein Licht, welches die totale Finsternis in der Nacht störte, ein Flussbett, dass sich wie ein Canyon in die Ebene geschnitten hatte über die Zeit.
Wir mussten nun aber auch bemerken, dass die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht deutlich zunahmen. Das Fehlen einer Heizung rächte sich nun....in jener Nacht hatten wir morgens nur noch 6° Grad im Fahrzeug und wir konnten unseren Atem sehen!
Wie merkte Claudia an jenem Morgen an: „Die Kälte ist wirksamer, als jeder herkömmliche Wecker!“ - danach haben wir mit zusätzlichen Decken aufgerüstet (zum Glück sollte es danach nicht mehr ganz so kalt werden) .
So spontan, wie wir unsere „Offroad Schlafplätze“ nun fanden, suchten wir auch „neue Wege“ abseits der bekannten Routen – sprich sie waren nicht bei Google maps oder in den herkömmlichen Karten verzeichnet. Witzig war.....in Thomas seiner uralt Michelin Version von 1991(!) waren Pisten verzeichnet, die heute auf keiner Karte mehr zu finden sind, teilweise auch nicht mehr existieren oder nur noch von (Halb)Nomaden benutzt werden …..
Von der Freundlichkeit der Marokkaner (trotz anhaltender „Sprachlosigkeit“ mangels Französisch – und Arabisch Kenntnissen) hatten wir schon einiges erleben dürfen und im Marokko Block 1 beschrieben....
Eine von den vielen Anekdoten fand in dieser Region statt und sollte nicht unerwähnt bleiben....
Bei dem Versuch dem Flusslauf durch ein Tal nach dem Durchqueren der letzten Besiedelung auf einer Art holprigen Bergpiste zu folgen – frei nach dem Motto „Mal schauen wo wir rauskommen“ - mussten wir rasch feststellen, dass ein ziemlich breiter Graben unser Vorhaben unmöglich machen würde.
Thomas stieg aus und suchte Möglichkeiten das Hindernis zu umfahren …..
Rasch wurde klar, dass es ohne Brücke hier auch für einen Grimber nicht weiter gehen würde. Unser Fahrzeug kann ja viel, aber fliegen kann es leider nicht.
Das sahen auch drei Arbeiter, die mit einem Bagger an der „Dorfstraße“ herumwerkelten...... und so kam es nach dem üblichen Begrüßungen „Salaam alekum“, „Wa alekum salaam“, „Alemania“, usw., jede Menge Händeschütteln, Schulterklopfen, viel Lachen und Umarmungen mit Thomas, rasch zum „interkultuerellen Krisengipfel“ und ein marokkanischer Hilfeplan war schnell ausgearbeitet und beschlossen ! Ehe wir uns versahen und begriffen was geschah, dirigierten sie ihr schweres Gerät zu uns herüber und schoben jede Menge Erdreich in den Graben, solange bis eine „neue Brücke“ für uns entstanden war. Wir mochten bei den „Flurschäden“, die dabei entstanden sind gar nicht hinschauen. ...aber so funktioniert hier scheinbar die Gastfreundschaft „auf dem kurzen Dienstweg“...
Richtung Süden beschlossen wir auch weiterhin möglichst nicht die einzige Hauptstraße N17 zu nehmen. Von unseren ersten „bestandenen“ Offroadtouren bestärkt, fuhren wir bei der nächsten Gelegenheit im Nordöstlichen Bereichs des Plateau du Rekkam einfach irgendwo von der geteerten Piste ab. Die Michelin Karte zeigt hier über einen sehr großen Bereich einfach nur weiß – d.h. nichts! Keine Straße, keine Erhebung, rein gar nichts …. rein gar nichts ? Das konnten wir uns einfach nicht vorstellen und wollten das mal näher begutachten. Vor uns lag eine einzige flache steinige Ebene - flach wie eine Flunder! Wie auf der Karte beschrieben....nichts zu sehen bis zum Horizont. Also Blick auf den Kompass und immer 180° Richtung Süden. So fuhren wir auf kaum erkennbaren Pfaden über die Steinwüste immer geradeaus. Ab und zu sahen wir nur die „recht einfachen“ Behausungen, bestehend aus Lehm, Ästen und Planen einiger Halbnomaden mit ihren Ziegenherden.
Nach ca. 50 km immer geradeaus fanden wir bei einer Gruppe Sträucher an einem ausgetrockneten Flusslauf einen Platz, der uns für die Nacht ideal erschien ...und weit und breit keine Menschenseele in dieser unendlichen Mondlandschaft zu sehen. Wie sollten wir uns täuschen.... Die Dunkelheit war gerade hereingebrochen, das Tageslicht lag in den absoluten letzten Zügen...da erschallte, das für uns unverständliche Rufen von zwei älteren Männern! Was sie gerufen haben, haben wir nie verstanden, aber offensichtlich wollten die beiden damit ihr Kommen schon aus der Entfernung ankündigen und ihre freundlichen Absichten zeigen. Da standen sie nun auf ihren Gehstöcken gestützt vor unseren Fahrzeug in der Dunkelheit ...und wir vor ihnen auch ziemlich ratlos. Die beiden waren wohl in einem „fortgeschrittenen Rentenalter“ und vermutlich die beiden Oberhäupter von zwei Nomadenfamilien?!? Ob sie nur neugierig waren, sich nach unserem Wohlbefinden erkundigen wollten oder uns zum Tee und Schlafen bei sich im Haus einladen wollten ließ sich beim besten Willen nicht herausfinden. Wir waren auf jeden Fall in dieser Einöde herzlichst willkommen und nach dem „informativen Austausch“ verließen uns diesen beide „Könige aus dem Morgenlande“ auch bald wieder mit vielen Umarmungen und sonstigen Grüßen.
DAS mussten wir mittlerweile feststellen ist das größte Manko an unserer Reise hier ...wir verstehen weder Französisch noch Arabisch und dadurch werden uns viele interessante Dinge verborgen bleiben!!
Anzumerken ist noch...am nächsten Morgen, als wir noch beim Frühstücken waren, kam der „gebrechlichere“ von dem beiden Greisen mit vermutlich seiner Enkelin auf einem Esel heran geritten, um sich zu verabschieden oder wollte er uns zum Tee o.ä. einladen? Wichtig schien aber zu sein, dass Claudia dem Kind über die Haare streichelte. Danach ritt er wieder davon...
Letztlich mussten wir uns bei unserer weiteren Tour noch einen Durchgang durch ein großes ausgetrocknetes Flusstal suchen und landeten nach fast 100 Kilometern quer durch diese Steinwüste auf einer Teerstraße, die uns in die kleine Stadt Tendrara führen sollte.
Tendrara ist einer der wenigen kleinen Orte, die sich an der Hauptverkehrsverbindung in den südlichen Osten auf dem Weg zur äußerst entlegenen Oase Figuig befinden. Man hatte das Gefühl in „Afrika“ angekommen zu sein. Da gerade Markttag war, liefen überall Ziegen herum und es wurde am Straßenrand gegrillt. Das qualmte ordentlich. Aus touristischer Sicht gab es keinen Grund dort länger zu verweilen, so beschränkte sich unser Aufenthalt auf den obligatorischen Cafe Besuch mit WiFi (da ist man in Marokko schon in vielen Bereichen weiter als in Deutschland) und das Auffüllen unserer Obst, Gemüse und Brotbestände, um für die nächste Offroad Tour gerüstet zu sein, die uns von hier zur kleinen Oase Iche führen sollte.
Am nächsten Morgen ging es auf der Piste Richtung der Oase Iche. Direkt durch den „Müllplatz“ verliessen wir Tendara in die Wüste. Nach wenigen km bot sich einem ein seltsam bizarres Bild. Wir passierten mitten in der Einöde die Ruinen des längst verlassen Bahnhofs aus der Kolonialzeit, der wie eine kleine Geisterstadt auf uns wirkte. Die Entfernung zur Stadt und der Busverkehr hatte dem Bahnhof an der Strecke von Oujda im Norden bis zur Provinzhauptstadt Bouarfa im Süden scheinbar schon vor längerer Zeit den Garaus gemacht.
Je weiter wir uns Richtung Südost vorwagten, desto sandiger wurde die Wüste. Hier sahen wir auch unsere ersten Kamele auf dieser Reise. Von Zeit zu Zeit sahen wir einige Hirten mit ihren Ziegen, Eseln, etc., die, die Gelegenheit nutzen wollten uns um Zigaretten an zu schnorren. Sorry, bei uns waren nur Nichtraucher an Bord! ;-)
Als Nachtplatz hatten wir uns eine schöne Sanddüne gewählt. Ein kleiner Vorgeschmack auf die großen Dünen im Süden bei Merzouga....nur dass wir hier total alleine waren! ;-)
Am nächsten Tag rollten wir weiter kreuz- und quer durch die kleinen Hügel, Dünen und Steinpisten. Einmal „verirrten“ wir uns trotz Navi so, dass wir uns plötzlich bei einem großen See wieder fanden! Und das mitten in der Wüste. Von Menschen und deren Viehzeug war keine Spur zu sehen.
Als wir näher an Iche kamen, nahm auch die Präsenz von Militärcheckpoints zu. Iche ist als sehr kleine Oase ist zu ¾ von algerischen Staatsgebiet umgeben und vom übrigen Marokko ziemlich isoliert. So „rät“ uns das Militär aus Sicherheitsgründen die Nacht auch direkt in der Oase zu verbringen und nicht draußen in der näheren Umgebung.
Wenn man in diesem Lande noch eine Oase sehen will, die noch aus dem „alten Marokko“ stammt und der Tourismus noch nicht seine Spuren hinterlassen hat, dann sollte man sich die Mühe machen diesen Ort zu besuchen. Aufgrund der Abgeschiedenheit gibt es zwar aus touristischer Sicht nichts zu sehen – nicht einmal einen Laden oder Cafe gibt es dort, aber unglaublich nette Leute.
So schenkte uns eine alte Frau am nächsten Morgen beim Öffnen unseres Grimbers gleich mal einen Laib Brot – hatte sie unsere Gedanken von außen lesen können und gewusst, dass uns partout an diesem Morgen das Brot ausgegangen war ?
Wir waren total überrascht, wie freundlich die Leute hier waren!! Jeder, der uns auf der Straße begegnete, begrüßte uns äußerst freundlich, als ob wir schon seit Jahren in diesem Ort wohnen würden. Damit hatten wir nicht gerechnet. Claudia wurde auch gleich von den einheimischen Frauen in Beschlag genommen. Die Unterhaltung lief - wie immer - mit Händen und Füßen. Sie zeigten Claudia auch gleich, dass sie unter dem Kleid eine Hose trugen. So zeigte Claudia auch Ihre Leggings, die sie unter der Hose trug, - aber wegen der Kälte in der Nacht. Alle lachten. Dann wurde auf das fehlende Kopftuch bei Claudia gedeutet. Schnell holte Claudia (nun Fatima!) ein Tuch aus dem Grimber. Das kam dann bei der hiesigen Frauenwelt unglaublich an (bei Thomas nur begrenzt).
Zu Fuß wurde die Oase erkundet. Gefühlt schüttelten wir jedem Einwohner die Hand. Auch wollte sich natürlich jeder persönlich mit uns unterhalten. Da im November die Erntezeit ist, schenkten uns die Bauern einfach so, einen großen Ast mit Datteln. Wir verabschiedeten uns von der Oase Iche und seinen absolut freundlichen Bewohnern, denn wir wollten weiter off road nach Figuig.
Der Einstieg zur Piste war schnell gefunden. Zunächst ging es hier steinig hoch und an einigen Stellen wurde es auch ziemlich eng. Kaum hatte der Grimber den ersten Anstieg erklommen - „erklommen“ ist hier das absolut richtige Wort - wurden wir auch schon von ersten Soldaten erwartet, „um mal einen Blick in unsere Pässe zu werfen“. Noch ahnten wir nicht, dass derzeit scheinbar das „halbe marokkanische Heer“, damit beschäftigt war, entlang dieser einsamen Gebirgsstrecke an der algerischen Grenze Kontrollpunkte aufzubauen....und wir sollten sie alle persönlich kennenlernen dürfen!!!
So passierte es auf der ersten Teilstrecke, dass wir teilweise innerhalb eines Km zweimal gestoppt wurden! Es wurden jedes Mal unsere Namen, Passnummern, Kennzeichen und Automarke notiert und schon durften wir weiter....
Nein ...so einfach ließen sie uns nicht davon kommen, denn hier gab es nicht wirklich viel Abwechslung für die meist jungen Soldaten, die drei Monate hier ausharren müssen. So mussten wir als willkommene „Opfer“ gegen die Langeweile herhalten..... denn wir waren die ersten Reisenden seit vielen Wochen oder Monaten ….
Das lief dann so ungefähr ab....
-
erst versuchte man ganz pflichtgemäß unsere Namen, etc. per Funk an irgendeine Dienststelle weiter zu geben (das hatten einige am anderen Ende des Funkgerätes auch nach dem 10 + x Male nicht begriffen!!)
-
dann erfolgte die ganze Palette an Entschuldigungen, Umarmungen, Lachen, Schulterklopfen, etc. (bei Thomas)...
-
dann wurde der Tee aus der Baracke herangetragen und man machte es sich auf der Piste so langsam bequem.
-
….in einem Fall (wir hatten bereits die Campingstühle für alle herausgeholt)… wurde zu guter Letzt noch kurzfristig leckeres Gebäck schnell gebacken und mit eigener Konfitüre aus den persönlichen Beständen versüßt.....
-
...als die Frage „you like Cous-cous?“ aufkam und uns „Böses schwante“, machten wir uns aus dem Staube – natürlich begleitet mit vielen „Shukran's“, „Beslama's“, etc.... Inshallah!
U.a. bekommen wir auch nebenbei gezeigt, wie eine herkömmliche Ziegelherstellung funktioniert. Man machte aus der Lage eine Tugend und baute einfach etwas an die Baracken an....
Auch wurden wir hier einiges von unseren riesigen Dattelbeständen los (noch aus Iche), die zur großen Freude angenommen wurden.
Vor lauter Kontrollen, Begrüßungen und Einladungen hatten wir nur ganze 30 km an einem Tag geschafft. Aber dafür haben wir wieder etwas wertvolles, unbezahlbares mitgekommen - bleibende Eindrücke über die unglaublich freundlichen Marokkaner.
Die Landschaft auf der Strecke nach Figuig war einfach nur grandios....auch wenn wir am ersten Tag nur „schrittweise“ vorankamen.
Von der Provinzhauptstadt Figuig, einer weiteren schönen Oase, im äußersten Südosten an den Ausläufern des Wüstengebirges Djabal Gru und an der Grenze zu Algerien gelegen ging es weiter - immer da wo möglich - quer durch die Wüsten.
Mittlerweile schon fast echte „Wüstenfüchse“ geworden, durchquerten wir in mehrtägigen Fahrten die Gegenden zwischen den Städten Bourfa, Boudnib und Talsinnt am Südende eines Ausläufers des Hohen Atlas gelegen. In diesen abgelegenen Landschaften trafen wir bis auf wenige Male nur einige Nomaden mit ihrem Vieh. Sonst hatten wir diese grandiosen Landschaften praktisch für uns ganz allein.
Kommentar schreiben